Maria Wandelt

Maria Wandelt kam Anfang der siebziger Jahre als Lehrerin nach Grünow, unterrichtete danach in Bergfeld und bis zu ihrer Rente als Sonderschulpädagogin in Neustrelitz.
Unter den Grünower Einwohnern war sie eine auffällige Persönlichkeit. Der dörflichen Bevölkerung fühlte sie sich innerlich verbunden, aber ihre weitreichenden geistigen Ansprüche vertieften die in ihren Gedichten oft beklagte Einsamkeit.

Viele kamen mit ihren Sorgen und Nöten zu ihr und sie wies niemanden ab. Für nicht wenige war sie eine erfolgreiche Psychotherapeutin. Immer scharte sie junge Menschen um sich. Zu Weihnachten organisierte sie mit den Kindern Krippenspiele nach eigenen Entwürfen. Nach ihrer Pensionierung übernahm sie den Christenlehreunterricht.

Ihre kleine Wohnung glich einem Museum. Mit Leidenschat sammelte sie Antiquitäten, die sie im Laufe der Jahre größtenteils verschenkte. Materielles war für sie zweitrangig, sie lebte äußerst bescheiden, wie kaum jemand in ihrem Umkreis.

Maria Wandelt bediente sich gern einer sehr gehobenen Sprechweise und ihre ganze Erscheinung führte manchmal zu sonderbaren Mutmaßungen über ihre Herkunft, zumal sie nur sehr ungern von sich redete.
Viel Freude hatte sie am Erzählen von Märchen. Mit ihrer Vortragskunst fesselte sie immer wieder große und kleine Leute. 1989 erschien im Postreiterverlag von ihr das Märchenbuch,, Liebe kleine Ratte“.

Früh hatte sie zu schreiben begonnen, hielt aber wahrscheinlich ihre Gedichte nicht für vollkommen genug, um sie einer breiteren Öffentlichkeit  zugänglich zu machen. Ihre Schöpfungen beschreiben und reflektieren überwiegend Naturerlebnisse. Gesamt gesehen sind sie ein einziger Lobgesang an das ,,große, heiße, heilige Leben“. Zudem spiegeln viele ihrer mehr als tausend hinterlassenen Gedichte auch ihre ,,dunklen Seiten“ wider, tiefe Einsamkeit, ja Schwermütiges, ständiges Nachsinnen über die unlösbare Verbindung von Leben und Tod, obwohl sie bis zu ihren letzten Lebenswochen immer von Menschen umgeben war und gebraucht wurde.
Hinterlassen hat sie auch dramatisierte literarische Texte für Aufführungen, geistliche Spiele und Novellen.
1991 mußte Maria Wandelt ins Altersheim nach Feldberg umziehen, konnte aber durch das Engagement des Bürgermeisters und der Gemeinde nach Grünow, wenn auch in eine andere Wohnung, zurückkehren. Trotz wachsender Hilflosigkeit und zunehmender Beschwerden bewahrte sie bis zuletzt ihre Würde, war weiter für andere da und literarisch produktiv. Das letzte erhaltene Gedicht entstand wenige Tage vor ihrem Tod.
Sie starb ruhig und geistig wach im Juni 1995 in Feldberg.

Maria Wandelt wurde 1913 in Naumburg in einem katholischen Elternhaus geboren. Ihre Mutter, Irene Clara Rohe, war Tochter eines Soldaten adliger Abkunft. ihr Vater, Max Nitsche, entstammte einer seit Generationen in Schlesien ansässigen Freibauernfamilie. Durch unglückliche Umstände verlor er das Erbe und wurde Soldat. Nach seiner Entlassung wirkte er als Gerichtsdiener in Naumburg. Er war ein äußerst gewissenhafter Beamter, dem Staat und Kirche über alles gingen. Er war aber auch ein sehr naturverbundener Mann mit einem umfangreichen Wissen, das er an seine aufgeschlossene Tochter weitergeben konnte. Maria war eine begabte Schülerin, die sich kurz vor dem Abitur in einen zwölf Jahre älteren Ingenieur verliebte. Die evangelischen Wandelts waren ebenso wie die Nitsches nicht von der Verbindung begeistert. Gleich nach Beendigung ihrer Schulzeit heiratete das Paar. 1934 wurde ein Sohn geboren und ein Siedlungshaus in Jena bezogen. Die kurze Zeit ihrer Ehe muß die erfüllteste Zeit ihres Lebens gewesen sein. Vier Jahre später erkrankte ihr Mann an Krebs und seine Pflege erforderte ihre ganze Kraft und Fürsorge. Sie blieb bis zu seinem Tode 1940 an seiner Seite. Ihrem Sohn konnte sie nicht mehr die notwendige Zuwendung angedeihen lassen, ihre Eltern boten an, das Kind zu sich zu nehmen. Richard Wandelt sind die meisten Auskünfte über die Familienverhältnisse seiner Mutter zu verdanken. Er erinnerte sich bis zuletzt dankbar an seine Großeltern, insbesondere an seinen Großvater.
Die junge Frau war nun ganz auf sich gestellt und absolvierte einen Schnellkurs als Volksschullehrerin. Sie begann ihren Dienst in Antonienhütte bei Kattowitz. Zu Beginn des Jahres 1945 mußte sie Schlesien vor der heranrückenden Front verlassen. In der Nacht nach ihrem Zwischenaufenthalt in Dresden wurde die Stadt bombardiert.

Sie erhielt eine Lehrerstelle in Altenburg (Almrich) bei Naumburg zugewiesen. Ihre Eltern und ihr Sohn konnten zu ihr ziehen. Nach Kriegsende wirkte sie zunächst als Dolmetscherin in dem großen amerikanischen Kriegsgefangenenlager Naumburgs. Sie half etlichen Gefangenen, vor allem Bauern, vorzeitig entlassen zu werden, damit sie sich um ihre Höfe kümmern konnten. Sie schrieb dann einfach TB auf die Laufzettel, vor der die Amerikaner panische Angst hatten.
Ihre Schüler in Almrich mochten sie sehr und nannten sie liebevoll unter sich ,,unsere Mia“. Einer ihrer Schüler gedachte ihrer zu ihrem hundertsten Geburtstag mit einer Dankesanzeige.
Was Maria Wandelt schließlich nach Mecklenburg verschlug, ließ sich bisher nicht herausfinden.

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